Die Gestaltung von Büchern im künstlerischen Kontext steht im Zentrum der Arbeit des italienischen Designers Enrico Bravi (Jahrgang 1975), der seit 2000 in Wien lebt. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema führt ihn zunächst in Bibliotheken und erst danach ins eigene Studio, denn die Gestaltung wird strikt aus dem Inhalt entwickelt. Bravis Arbeiten zeichnen sich durch ihre konzeptuelle Stringenz sowie durch ihre sorgfältige Machart aus, die jedem Buch beinahe den Rang eines Unikats verleiht. Zusätzlich frappiert seine Fähigkeit, das vergleichsweise statische Medium Buch zu dynamisieren, wobei ihm sein Background als Multimediadesigner zugute kommt. Für die aktuelle Publikation »Image Machine. Andy Warhol & Photography« arrangiert er die Fotos entlang einer durchgängigen Bildstrecke vor jeweils unterschiedlichem Farbhintergrund, wodurch das Buch fast wie ein Leuchttisch funktioniert. Eine ähnlich dem Arbeitsprozess entsprechende Perspektive erlaubt auch die von Bravi gestaltete Webseite der holländischen »Werkplaats Typografie«, an der er zwischen 2005–2007 ein Masterstudium absolviert hat. Die Projekte werden auf der Startseite wie Dokumente auf einem Schreibtisch präsentiert, deren Anordung jeder User durch Benutzung verändern kann, was dem kollaborativen Geist der Schule entspricht.
Enrico Bravi zum Entwurf
Höre ich Europa, denke ich nicht sofort an einen geografisch definierten Raum. Aus diesem Grund zeigt mein Entwurf weder Außen- noch Binnengrenzen. Er zoomt hinein in ein Sammelbecken unterschiedlichster Identitäten, die ein ungeordnetes und unübersichtliches Muster erzeugen. Die künstlich gezogenen Ordnungs-, also Grenzlinien erweisen sich zunehmend als bloße Illusion.
Wir beobachten vielmehr eine Auflösung alter Ordnungsstrukturen und eine Durchmischung von ehemals Getrenn-tem. Neue Verhältnisse lösen Bewegungen aus, die durch innere und äußere Kräfte erzeugt werden. Der Begriff »Europa« lässt sich nicht fixieren, er ist fließend: Es ist ein immer neuer Prozess von Anziehungen und Abstoßungen. Es sind unsere Reaktionen auf diese Einflussgrößen und Kräfteverhältnisse, die Europa definieren. Entscheidend wird sein, die heterogenen Elemente (unterschiedliche Farben, Buchstaben, Positionen) als Werte zu erkennen und das daraus neu Entstandene als wünschenswerte Vielfalt zuzulassen.